Renault Kangoo – Elektro-Transporter im Winter

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Foto: ETM-Verlag/Jacek Bilski

Der Elektroantrieb hält nun auch bei den Lieferwagen Einzug. Der Renault Kangoo Z.E. ist der erste seiner Art. Dabei haben Elektroautos gerade im Winter einen schlechten Ruf. Wir sind dem auf den Grund gegangen.

Tatsächlich nimmt der Renault Kangoo Z.E. in seinem Segment eine Vorreiterrolle, ist er doch der erste Elektro-Lieferwagen, der die Serienreife erreicht hat. Doch kann diese neue Technologie Benziner und Dieseln das Wasser reichen? Gerade im Winter bekommen selbst Diesel betriebene Fahrzeuge von Zeit zu Zeit Probleme. Elektroautos sagt man bei diesen Bedingungen eine Reichweite nach, die kaum zum Brötchenholen reicht. Daher haben wir den Liefer-Stromer unter eisigen Winterbedingungen getestet. Soll der emissionsfreien Antriebstechnik der Durchbruch gelingen, muss sie auch im Winter zuverlässig ihren Dienst verrichten. Minus zwölf Grad zeigt das Thermometer auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Der Testkandidat hing über Nacht an der Ladestation, die Akkus sind voll geladen. So lange das Ladekabel Fahrzeug und Steckdose verbindet, leuchtet im Kombiinstrument ein grünes Symbol.

Wie lädt man ein Elektroauto?

Noch bevor die Batterie gefüllt werden kann, stellt sich dem Nutzer schon das erste Problem: Mennekes 2. Dahinter verbirgt sich der Name des Ladekabelsteckers. Der passt in keine Haushaltssteckdose. Deshalb muss erst einmal eine Ladestation her. Diese sind nicht billig. Mit der passenden Steckdose aber ist das Laden des Kangoo Z.E. kinderleicht. Kabel eingesteckt, schon geht es los. Allerdings dauert es etwa sechs Stunden bis ein leerer Akku vollständig geladen ist. In der Praxis wird der Elektrotransporter also meist über Nacht an der Steckdose hängen. Während des Ladens lässt sich der Kangoo Z.E. nicht starten. Also Stecker raus, Zündschlüssel rein und starten. Ein leises Surren setzt ein und eine grüne Lampe leuchtet auf, die mit dem Wort „GO“ zum Losfahren auffordert.

Sitzt man am Steuer, so unterscheidet sich das Cockpit des strombetriebenen Galliers kaum vom Standard-Kangoo. Statt eines Drehzahlmessers sieht der Fahrer eine Kapazitätsanzeige der Batterie. Die Tankanzeige weicht dem sogenannten Econometer. Auf diesem Instrument sieht der Fahrer, ob das Fahrzeug Energie verbraucht, oder per Rekuperation (Bremsenergie-Rückgewinnung) erzeugt. Anstelle des Schaltknaufs gibt’s einen vierstufigen Wählhebel, der an ein Automatikgetriebe erinnert. Zur Wahl stehen Parken (P), Leerlauf (N) sowie Rückwärts- (R) und Vorwärtsfahren (D).

Der Elektro-Transporter meldet sich zu Wort

Sobald der Fahrer eine Fahrstufe einlegt, erklingt ein unüberhörbares Signal. Damit warnt das Fahrzeug andere Verkehrsteilnehmer. Los geht’s. Teil eins der Testprozedur hat die Reichweite im Fokus. Der Bordcomputer meldet 52 Kilometer. Nicht sonderlich viel, aber bei zwölf Grad unter null ist auch nicht viel mehr zu erwarten gewesen. Für die Testfahrt ist der Transporter nicht beladen. Allerdings läuft die Heizung auf Hochtouren, um es im Innenraum einigermaßen erträglich zu machen. Wegen der schlechten Sicht ist das Abblendlicht an. Beides ändert an der vorhergesagten Distanz überraschend wenig. 35,6 Kilometer Landstraße liegen vor dem Franzosen. Danach geht es auf einen Stadtzyklus mit 2,9  Kilometer Länge und 13 Stopps je Runde.

Beinahe geräuschlos flaniert der Kangoo über die schneebedeckte Landstraße. Bei Tempo 50 liegt der Lärmpegel zwei Dezibel niedriger als bei der Dieselversion. Erst wenn der Kangoo die 80-km/h-Schwelle übertritt, ist der Geräuschvorteil dahin. Wind- und Reifengeräusche überwiegen. Das maximale Drehmoment von 226 Newtonmetern sorgt für guten Vortrieb in niedrigen und mittleren Geschwindigkeiten. Die Elastizität des Kangoo Z.E. ist allerdings überschaubar. Rund 14 Sekunden braucht das 60 PS starke Elektroaggregat, um den Transporter von Tempo 60 auf Tempo 80 zu beschleunigen. Aus dem Stand erreicht der Franzose seine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h nach einer gefühlten Ewigkeit.

Die Stärken liegen im Stadtverkehr

Die oberen Geschwindigkeitsregionen werden im Alltag des Kangoo Z.E. wohl eine kleine Rolle spielen. Er brilliert vielmehr im Stadtverkehr. Allerdings sollte man auch da nicht zu flott unterwegs sein. ESP und ASR sind nicht an Bord. Die nötige Energie spart sich Renault lieber zu Gunsten der Reichweite. Nur ABS gibt es. Dass die Fahrdynamik-Regelsysteme fehlen, merkt man auf Schnee und Eis deutlich. Gewöhnungsbedürftig ist auch die Rekuperation bei Fahrten auf rutschigem Untergrund. Geht der Fahrer vom Gas, schlägt sie zu wie ein Bremsfallschirm. Selbst bei Gefälle kommt das Fahrzeug damit recht schnell zum Stehen. Bei vorsichtigem Spiel mit dem Gaspedal sind aber Rekuperation und konstant schnelle Bergabfahrt zugleich möglich.

Zwischenstand: Nach gefahrenen 35,9 Kilometern liegt der Energieverbrauch bei insgesamt neun Kilowattstunden (kWh) laut Instrumententafel. Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 22 kWh. Wobei bauartbedingt ein Rest von rund 20 Prozent in den Akkus verbleibt. Etwa neun kWh Kapazität bleiben demnach für den Stadtzyklus.

Der Stadtverkehr zehrt an der Batterie

Auf der Landstraße lag der Schnitt bei 54,7 km/h. Nach dem Stadtzyklus sinkt dieser Wert auf 33,2 km/h. Die vielen Stopps auf den Runden zehren aber an der Kapazität der Batterie. 23 Kilometer schafft der Kangoo Z.E. mit halber Batterieladung im simulierten Stadtverkehr. Nach exakt 52 Kilometern ertönt ein Warnsignal. Der Ladestand der Batterie ist bedenklich niedrig. Ein rotes Batteriesymbol leuchtet in der Instrumententafel auf. Auf öffentlichen Straßen sollte man nun möglichst schnell eine Ladestation ansteuern.

Es wird kritisch in der Kabine. Zumindest für die Elektronik. Fünf Kilometer nach dem ersten Aufleuchten fängt das rote Symbol an zu blinken. Der Signalton wiederholt sich hektisch. Dazu reduziert der Kangoo Z.E. die Motorleistung. Es braucht Nerven wie Drahtseile, um die Reichweite eines Elektro-Fahrzeugs zu messen. Nach 58,9  Kilometern ist Schluss, der E-Kangoo bewegt sich keinen Millimeter mehr. Passiert das auf öffentlichen Straßen, können Z.E.-Besitzer einen Pannendienst von Renault rufen, der das Fahrzeug zur nächsten Stromtankstelle in bis zu 80 Kilometer Entfernung schleppt.

Neuer Test bei wärmerer Witterung

Wir gönnen dem Kangoo zwei Tage später bei fast schon wohligen null Grad eine zweite Chance. Schließlich wollen wir es genau wissen. Die Prognose des Kombiinstruments lautet 55 Kilometer – immerhin drei Kilometer mehr als beim ersten Versuch. Das Testergebnis fällt sogar noch günstiger aus. Ebenfalls unbeladen, mit eingeschalteter Heizung und Abblendlicht im Betrieb kommt der Kangoo Z.E. dieses Mal auf 67,1 Kilometer Reichweite. Dabei war der Anteil Landstraße genauso lang wie zuvor, im Stadtverkehr drehte der Kleintransporter dafür einige Runden mehr.

Kangoo bewegt sich in guter Gesellschaft

Die Laufleistung, die der Kangoo im Test abgeliefert hat sind im Rahmen bisheriger Erfahrungen mit Elektroantrieben. Auf dem Prüfstand schaffte der Renault 170 Kilometer. Hätte er das auch im Testbetrieb geschafft, wäre das einer Sensation gleichgekommen. Für weite Distanzen sind Elektrofahrzeuge nicht gemacht. Das liegt nach wie vor an der begrenzten Leistungsfähigkeit der Batterien. Die hat sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, aber am Ende ist die Entwicklung noch lange nicht. Schließlich sollen Elektrofahrzeuge irgendwann eine Mobilität ohne fossile Kraftstoffe ermöglichen – egal, ob Sommer oder Winter.

 

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