Der Fahrer gibt am Lenkrad die Richtung vor. Eine Welle gibt die Bewegung ans Lenkgetriebe weiter. Das stellt den Kontakt zu den Lenkstockhebeln und letztlich den Rädern her. Doch auch bei diesem simplen mechanischen Vorgang ist die Elektronik heute nicht mehr wegzudenken. Mechanik, Hydraulik und Elektronik arbeiten in einer Nutzfahrzeuglenkung im engen Verbund zusammen. Damit dieses komplexe Zusammenspiel reibungslos funktioniert, müssen zahlreiche Kenngrößen passen.
Die Entwicklung aktueller Lenksysteme bewegt sich in verschiedene Richtungen: Zentrales Thema ist, den Kraftstoffverbrauch zu senken und Emissionen zu verringern. Ein weiterer Trend verbirgt sich hinter dem Schlagwort verminderte Lifecycle Costs. Lösungen für den Einsatz in Einzelradaufhängungssystemen gewinnen besonders im Omnibus-Bereich an Bedeutung. Eine ebenso entscheidende Rolle spielen die Fahrsicherheit verbessernde, angepasste elektronische Assistenzsysteme. Keine Hydrolenkung kommt inzwischen ohne elektronisches Steuergerät aus.
Grundlegende Funktionen der Elektronik sind, die Geschwindigkeitssignale vom Tacho zu erfassen und die daran angepassten Lenkkräfte einzuregeln. Beim Lenken richtet sich die Strategie auf „maximale Unterstützung“ im Stand und beim Rangieren. Bei zunehmender Geschwindigkeit lautet die Maxime „abnehmende Unterstützung“. Die Lenkachs-Mittenzentrierung ist eine Funktion, über die die Elektronik einen präzisen Geradeauslauf bei Spurrillen oder geneigter Fahrbahn sicherstellt.
Rein elektronische Lenkung liegt in ferner Zukunft
Bis zur elektronisch gesteuerten elektrischen Lenkung dürften hingegen allein aus rechtlichen Gründen noch einige Jahre vergehen. Lenkgestänge, Hydraulik und die mechanische Verbindung zum Lenkrad fallen bei diesem Konzept vollständig weg. Die Elektronik übernimmt die gesamte Steuerung, während Elektromotoren die Räder einschlagen.
Auf Gewichts- und Bauraumreduzierung sowie die Verringerung der Lebenszykluskosten richtet sich das Konzept einer hydraulischen Unterstützung mit einem von der Zahnstangeneinheit getrennten Arbeitszylinder. Die Vorteile: Er kann je nach Gewichtsklasse dimensioniert und seine Bauform dem erforderlichen Lenkwinkel angepasst werden. ZF verspricht für solche Lenkungssysteme eine optimierte Kinematik mit verfeinertem Lenkgefühl und einem reduzierten Verschleiß des Lenkgetriebes. Der Wegfall diverser Bauteile soll gegenüber Blocklenkungen zudem einen Gewichtsvorteil erzielen.
Eine bedarfsgerechte hydraulische Unterstützung für Lenkungen liefern Pumpen mit verstellbaren Flügelzellen. Sie sind so konzipiert, dass sie nur die tatsächlich benötigte Ölmenge fördern. Die mögliche Energieeinsparung soll je nach Fahrzyklus und Systemauslegung bei bis zu 40 Prozent liegen. Im Kraftstoffverbrauch schlägt sich dies in bis zu 0,2 Liter pro 100 Kilometer nieder. Bei einer Jahresfahrleistung von 200.000 Kilometern summiert sich die Einsparung auf immerhin 200 bis 400 Liter.
Intelligente Lenkung gegen Gefahren im Winter
Gerade im Winter treten auf den Straßen oft unterschiedliche Reibwerte auf. Die können sich verhängnisvoll für den Fahrer auswirken. Solche Reibwertunterschiede treten unter winterlichen Bedingungen in Form von Eis auf der einen Seite und griffigem Asphalt auf der anderen Seite oft auf. Dem trägt beispielsweise das Überlagerungslenksystem „Servotwin“ von ZF Rechnung, wie es unter anderem im Mercedes Actros zu haben ist.
Neben einem verkürzten Bremsweg soll diese Lenkung zudem Seitenwindeinflüsse ausgleichen. Lenkrad und gelenkte Räder haben dabei eine definierte Übersetzung. Entsprechende fahrdynamische Bedingungen sorgen dafür, dass sich das Lenkrad mitdreht. Ihr Aufbau entspricht der einer Zweikreislenkung, die dem vom Fahrer eingebrachten Lenkmoment ein Zusatz-Lenkmoment beisteuert. Nach Kurvenfahrten sorgt das ZF-System für einen aktiven Rücklauf. Bei Autobahnfahrten schalten solche Hydrauliksysteme komplett ab. Eine rein elektrische Unterstützung soll Antriebsenergie sparen.
In Verbindung mit einem entsprechenden Assistenzsystem ist diese Lenkung in der Lage, Spurrillen zu erkennen und die damit verbundenen Effekte zu kompensieren. Das Lenk-Assistenzsystem beobachtet ebenso permanent Lenkgeschwindigkeit und Querbeschleunigung, um Ausweichmanöver in fahrkritischen Situationen frühestmöglich zu erkennen. Der Ausweichassistent aktiviert dann das Lenksystem und leitet den Lkw mit maximalem Ausweichweg am Hindernis vorbei, selbstverständlich ohne dass der Zug dabei kippt. Die Ausgangswelle dreht sich bei dieser Assistenzfunktion ohne die Eingangswelle. Bei fahrdynamischen Eingriffen findet dadurch keine für den Fahrer spürbare Bewegung des Lenkrads statt.
Volvo hat sein eigenes System
Im neuen FH bietet Volvo ein eigenes elektrohydraulisches Lenksystem namens Dynamic Steering an. Das System ist direkt auf dem Lenkgetriebe aufgesetzt und mit der Lenkspindel verbunden. Herzstück ist ein programmgesteuerter Elektromotor, der je nach Bedarf Drehmoment auf die Lenkspindel bringt. Sensoren erfassen Regelgrößen wie Fahrtrichtung, Geschwindigkeit und Gewicht. Aus den Werten ermittelt ein elektronisches Steuergerät die benötigte Lenkunterstützung und regelt dann entsprechend den elektrischen Servomotor. Ähnlich wie das ZF-System bietet Dynamic Steering geschwindigkeitsproportionale Funktionalität: Bei geringeren Geschwindigkeiten – auch beim Rückwärtsfahren – sorgt das System für maximale Unterstützung. Das soll selbst bei einem beladenen Kipper im Gelände funktionieren. Bei hohen Geschwindigkeiten hat Dynamic Steering hingegen die Aufgabe, die Richtungsstabilität zu verbessern. Ständige Eingriffe des Elektromotors ersparen dem Fahrer das Korrigieren des Lenkrads. Sich auf die Lenkung übertragende Unregelmäßigkeiten des Fahrbahnbelags, beispielsweise Schlaglöcher oder Spurrillen, gleicht das System ebenfalls aus. Laut Volvo gilt dies selbst für eine stark gewölbte Fahrbahnoberfläche oder Seitenwind. Das Selbstlernsystem des Rechners erkennt solche Bedingungen und merzt die daraus folgenden seitlichen Bewegungen aus.
Tipp für Lkw- und Pkw-Anfänger: Wenn irgendwie möglich, niemals die Lenkung im Stand betätigen. Das schont Reifen und Lenkmechanik. Unter keinen Umständen die Lenkung einschlagen, wenn das Fahrzeug an einer Bordsteinkante steht. Folge wäre eine Deformation der Lenk- und Spurstangen.