Nach dem FH16-700 tritt der FH 16-750 zum Test an. Er präsentiert sich 2012 im Design des vor 25 Jahren vorgestellten Volvo F16. Unter der Haube werkeln neue Motoren. Sie zeigen auf, was sich in Sachen Motor in den vergangenen 25 Jahren bei Volvo getan hat.
Blick zurück: 1987 gab der TD162 genannte Gussklotz im Volvo F16 seinen Einstand. Er lieferte 456 PS und 2.050 Nm aus 16,12 Liter Hubraum, verteilt auf sechs große Zylinder. Beim Tempomachen auf der Hausstrecke des Testmagazins lastauto-omnibus ließ er alles hinter sich, was Rang und Namen hatte: Scania R143-450, MAN 19.462 und auch den einst stärksten Mercedes, den SK 1844.
Von 450 bis zu 750 PS
Längst sind Motoren mit 450 PS Standard im schweren Lkw. Mit „so wenig“ Power ist der heutige D16G erst gar nicht mehr zu bekommen. 540 PS (397 kW) sind das Minimum, 750 PS (551 kW) das heutige Maximum. Der Weg vom frühen TD162 zum heutige D16G beschreibt zugleich auch 25 Jahre Motorenentwicklung. Mit einer mechanisch geregelten Reiheneinspritzpumpe (260 bar Einspritzdruck), einer seitlichen Nockenwelle, aber schon mit vier Ventilen pro Zylinder ging der große Sechszylinder damals an der Start. 1993 folgte die Umrüstung auf EDC (Electronic Diesel Control), aus dem TD162 wurde der D16A im neuen FH16. Gut zehn Jahre später müssen die Einzelzylinderköpfe und die Reihenpumpe einem einteiligen Kopf mit oben liegender Nockenwelle und Pumpe-Düse-Elementen weichen. Fortan stieg die Leistung in schnellen und großen Schritten: 610 PS im Jahr 2004, 660 im Jahr 2006, 700 im Jahr 2009. Und jetzt, im Jahr des Jubiläums, sind es 750 PS oder 551 kW und 3.550 Nm maximales Drehmoment.
87,6 Kilometer pro Stunde schafft der FH 16
87,6 Kilometer pro Stunde schaffte dieser FH16 auf der mit Steigungen gespickten Teststrecke. Die schwere Topografie nimmt jedoch nur der Fahrer wahr. Er sieht die Steigungen, sie haben aber keinen nennenswerten Einfluss auf das Tempo. Denn unabhängig von der Topografie stellt sich eine nahezu gleichförmige Bewegung ein. 85 km/h in der Ebene, 85 bergauf, 90 bergab – macht im Mittel jene 87,6 km/h, die sich aus Fahrzeit und Streckenlänge errechnen.
Genauso beeindruckend wie diese Gleichförmigkeit zeigt sich die Dynamik. Ganz leise aus dem Untergeschoss grollend baut der FH16 mit niedrigen Drehzahlen enorm schnell Tempo auf. Er beschleunigt so vehement, dass es unwirklich erscheint, in einem beladenen Lastzug zu sitzen. Und das alles geht unheimlich leise und kommod vonstatten. I-Shift, das automatisierte Volvo-Getriebe (serienmäßig im FH16-750) sortiert die Gänge gekonnt, kaum merkbar und äußerst schnell. Verordnet dem großen, starken Motor zudem in aller Regel so niedrige Drehzahlen, dass kaum Geräusche in die Kabine dringen und der Verbrauch nicht über Gebühr in die Höhe klettert.
Luftwiderstand treibt Verbrauch in die Höhe
Mit Blick auf den Verbrauch hat es selbstverständlich Folgen, einen solchen Volvo rollen zu lassen. Zwei Gründe sind es, die den Verbrauch gegenüber herkömmlich Lkw in die Höhe drücken. Zum einen das stetig anliegende hohe Tempo mit entsprechend hohem Luftwiderstand. Denn da, wo ein 450 PS starker Lkw auf 50 km/h abfällt, saust der FH16 mit 85 km/h weiter. Zum anderen addieren sich die höheren Reibverluste des großen Motors. Alles in allem ist mit einem Zuschlag von gut fünf Prozent gegenüber der derzeit üblichen Leistungsklasse zu rechnen, der sich sowohl beim Rollen im Flachland als auch beim Klettern über die Berge einstellt. Oder anders: Wer fünf Prozent schneller arbeitet, darf auch fünf Prozent mehr verlangen oder verbrauchen. Das ist sozusagen der Akkordzuschlag, das ist in Stein gemeißelte Physik, da führt kein Weg dran vorbei. Bleibt einzig die Frage, ob und wie sich die Zeitersparnis in der Praxis rechnen kann.
39 Liter pro 100 Kilometer
Exakt 39,0 Liter pro 100 Kilometer gingen beim FH16 durch die Einspritzdüsen. Das liegt auf dem Niveau eines Scania R730, der vor zwei Jahren über die Teststrecke lief. Genau wie der Scania reichten dem Volvo zwei steigungsbedingte Schaltungen und auch nur zweimal sackte das Tempo am Berg ein wenig unter das festgelegte Marschtempo von 85 Kilometer pro Stunde. Bei diesem Tempo liegen im größten Gang etwas mehr als 1.200/min, die bei Vollgas fast 620 PS mobilisieren. Gut 100 davon braucht er zum Rollen im Flachland, das andere halbe Tausend dient als stetig verfügbare Leistungsreserve. Zum Runterschalten sieht sich I-Shift erst veranlasst, wenn das Maß der Steigung fünf Prozent übersteigt. Was allerdings zur Folge hat, dass dann und bei etwas mehr als 1.400/min fast sämtliche 750 Pferde antreten und für spürbare Beschleunigung bergauf sorgen – bis zur Abregelgeschwindigkeit auf reichlich fünf Prozent Steigung.
Die weiter gewachsenen Kräfte des D16-Sechszylinders machten zwei Dinge nötig: erstens eine neue Hypoidachse mit der Bezeichnung RSS 1360, was für Einzelachse mit Einfachübersetzung, 13 Tonnen Tragfähigkeit und 60 Tonnen Zuggewicht steht (Schweden lässt grüßen). Zum Zweiten eine neue I-Shift-Variante namens ATO3512 – ein Automatikgetriebe mit Overdrive für rund 3.500 Nm und mit zwölf Gängen. Der Overdrive ist eine Konzession an die enormen Kräfte, arbeitet mit dem Faktor 0,78 und errechnet sich mit der Achsübersetzung von 3,40 auf 2,652 zu 1 für den größten Gang.
Retarder kostet zwei Zentner Nutzlast
So markant wie die sechs großen Zylinder mit je 2,7 Liter Hubraum, so kräftig gibt sich seit 25 Jahren die Motorbremse des Sechszylinders. Schon der frühe TD162 brachte es auf 275 kW, dann folgte die Volvo Engine Brake (VEB) mit 380 kW und schließlich die VEB+ mit 425 kW Bremsleistung bei 2.200/min. Dass reicht in den meisten Fällen locker aus und ist vielen Kunden Grund genug, im Volvo auf einen Retarder zu verzichten. Der nämlich kostet nicht nur reichlich Geld und zwei Zentner Nutzlast, sondern – so bestätigen es Praktiker immer wieder – auch Reifenprofil an der Antriebsachse. Denn auf immerhin 865 kW addieren sich beispielsweise beim FH16 die Bremsleistungen von Hochtriebretarder und VEB+.
Das Zusammenspiel von Tempomat und Schwungspitze gelingt mit Retarder besser
Das Zusammenspiel von Tempomat und Schwungspitze (fünf Kilometer pro Stunde über Tempomat) gelingt mit der VEB+ aber längst nicht so gut wie mit einem Retarder. In drei Stufen mit 30, 60 und 100 Prozent Bremsleistung arbeitet die Motorbremse; stufenlos, feinfühliger und sanfter kann es ein Retarder. Der Volvo hält sich zwar ziemlich genau an die vom Fahrer vorgegebenen Werte, aber bei schneller Talfahrt rumort und ruckt es vernehmlich und komfortmindernd unter dem Fahrerhausboden. Und überhaupt: Die Bedienung und das Zusammenspiel all dieser Helfer wie Tempomat, ACC, Eco-Roll-Funktion oder mehrstufiger Motorbremse wollen nicht ganz so harmonieren, wie es dem Scania R730 gelingt.
Kritikpunkt Vorderachse
So gut die Antriebstechnik auch daher kommt, so sehr zeigen diese Kleinigkeiten, dass der FH langsam in die Jahre kommt. Auch das Verhalten der Vorderachse passt nicht mehr ganz in die Zeit. Sie lenkt sich zwar exakter als zu Anfang der FH-Karriere, aber auf schlechtem Untergrund läuft sie zu hart und zu unruhig.
Aus dem etwas knapp geschnittenen Fahrerhaus – gemessen an den besten Wettbewerbern fehlt mehr als ein Kubikmeter Volumen – haben die Schweden das Bestmögliche gemacht. Ein drehbarer Beifahrersitz verwandelt die Kabine in ein etwas enges, aber bequemes Wohnzimmer und die untere Liege misst selbst an ihrer schmalsten Stelle 700 Millimeter. Und ist erst mal die 260 Liter fassende Heckkonsole montiert, dann verfügt ein FH auch über reichlich Stauraum, muss aber auf eine zweite Liege verzichten. Großflächige Ablagen hingegen sind generell Mangelware im FH, auch im größten Fahrerhaus, dem Globetrotter XL. Kleine Ablagen gibt es reichlich, Flaschen- und Dosenhalter ebenfalls. Zwei große, nach oben öffnende Außenstauräume sind Standard im FH.
Der Nachfolger des getesteten FH 16 kam zur IAA Nutzfahrzeuge 2012 heraus. Verkaufsstart der aktuellen dritte Generation begann 2013.
Übrigens ist der Volvo FH der „Truck of the Year 2014“.