Alles Wissenswerte über Motorkolben

Foto: Mahle
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Die Motorkolben sind extremen Bedingungen ausgesetzt. Kaum ein anderes Bauteil des Motors muss einem komplexeren Gefüge aus thermischen und mechanischen Beanspruchungen standhalten.

Enorm hohe Drücke, große Massekräfte und extreme Temperaturunterschiede wirken bei jedem Arbeitstakt auf Motorkolben, Pleuel und Kurbelwelle. Sie haben in allen Motoren dieselbe Funktion. Bei der Verbrennung setzen sie die frei werdenden Kräfte in nutzbares Drehmoment um. Die Voraussetzungen unterscheiden sich aber je nach Motorbauart. Während es der Kurbeltrieb in einem großen Lkw-Diesel mit Drehzahlen von weniger als 2.000/min zu tun hat, muss er sich in einem Pkw-Diesel mit Drehzahlen von bis zu knapp 5.000/min und in einem Pkw-Benziner von sogar bis zu 7.000/min plagen.

Großvolumige Dieselmotoren stellen Motorkolben vor große Belastungen

In großvolumigen Dieselmotoren sind die Belastungen anderer Natur. Dort herrschen beispielsweise erheblich höhere Zündkräfte. Künftige Abgasgrenzwerte und zunehmendes Downsizing von Motoren führen zu einem höheren Verbrennungsdruck. In aufgeladenen Nutzfahrzeugmotoren kann er heute schon auf über 200 bar ansteigen. In Zukunft sind Drücke über 250 bar zu erwarten. Das entspricht dem deutlich mehr als hundertfachen Druck, unter dem ein Reifen steht.

Hinzu kommen hohe Verbrennungstemperaturen. Besonders am Muldenrand des Brennraums geht es heiß her. Dort kann die Temperatur locker auf 450 Grad Celsius steigen.

Immer häufiger sind Motorkolben aus Stahl

In großvolumigen Dieselmotoren sind daher schon allein wegen der Anforderungen an Laufleistung und Zuverlässigkeit Kolben aus Stahl auf dem Vormarsch. Grundsätzlich kommen nicht nur einteilige sondern auch sogenannte gebaute Kolben zum Einsatz. Sie bestehen aus einem Stahloberteil und einem Unterteil, dass aus Aluminium, Gusseisen oder Stahl bestehen kann. Beide Bauteile sind mit Drehschrauben verbunden. In kleineren, weniger belasteten Nutzfahrzeug-Motoren bieten sich Aluminiumkolben an. Hier setzen die Hersteller auf neue Werkstofflegierungen mit besserer Temperaturresistenz und höheren Festigkeitswerten. Mahle schmelzt den hochbelastete Rand der Brennmulde um. Durch eine rasche Abkühlung entsteht in dieser Zone eine sehr feine Kornstruktur, die weniger zu Rissen neigt und die Lebensdauer des Kolbens erhöht.

Mit kräftigeren Kolben, Pleuelstangen, Kurbelzapfen und Lager ist es jedoch nicht getan. Da sich Verbrennungsdrücke und -temperaturen nahe an der Festigkeitsgrenze der Werkstoffe bewegen, sind die Bauteile sorgfältig zu dimensionieren. Ebenso ist die Schmierung den hohen Druck- und Temperatur-Verhältnissen anzupassen. Elementare Bauteile sind dabei die Kolbenringe. Sie sitzen in Nuten, die in den Kolbenkörper gefräst sind und dichten den Verbrennungsraum gegen das Kurbelgehäuse ab.

Vier Ringe gibt’s nur noch bei Audi

Noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts war eine zuverlässige Abdichtung nur mit mindestens vier Ringen zu schaffen. Heute lässt sich die Zahl auf drei Ringe begrenzen, die in der Regel aus Chrom-Keramik-Legierungen bestehen. Eine wichtige Rolle spielen Reibleistung und Brandspurbeständigkeit. Die zwei, in knappem Abstand zueinander sitzenden oberen Ringe dienen der Gasabdichtung. Der weiter unten sitzende Ölabstreifring kontrolliert den Ölhaushalt des Kolbens. Kleine Toleranzen und ein minimales Laufspiel im Zylinderlaufrohr wirken sich vor allem auf das Abdichtungsaber auch das Geräuschverhalten aus.

Ebenso anspruchsvoll ist die Kühlung. Der Kolben muss die bei der Verbrennung entstehende Wärme in die richtigen Bahnen leiten. Etwa 40 bis 70 Prozent des Wärmeanteils führen die Kolbenringe ab. Der Wärmefl uss führt durch den Kolben zu den Ringen, welche die Wärme an die Zylinderwand abgeben. Ein weiterer Ableitungspfad führt über die Kolbeninnenfläche zum Ölnebel im Kurbelraum. Ohne eine zusätzliche Kühlung geht es aber nicht. Eine Spritzdüse versorgt hierzu einen in den Kolben integrierten Kanal mit Öl aus dem Motorölkreislauf. Downsizing-Konzepte und die damit verbundenen höheren Motorleistungen erhöhen den Kühlaufwand konstant. Die Folgen einer nicht ausreichenden Wärmeabfuhr in diesem Bereich des Dieselmotors wiegen schwer. Es droht die Verkokung des Motoröls und das Festbacken der Kolbenringe.