Die Lenkgeometrie eines Nutzfahrzeugs ist eine diffizile Angelegenheit. Nachlauf, Lenkkinematik, Vorspur, Sturz und Spreizung stellen sicher, dass die Räder immer unter Kontrolle bleiben.
Je nach Einsatzbereich rollt ein Lkw auf mehr oder weniger Achsen an. Diese müssen jedoch nicht nur die Last des Lkw tragen. Sie sind vielmehr ebenso ein Teil der Lenkung. Im Regelfall sind die Räder der Vorderachse lenkbar aufgehängt. Anspruchsvollere Einsatzgebiete verlangen allerdings nach mehreren gelenkten Achsen. Um all diese gelenkten, also prinzipiell eher labilen Räder sicher zu lagern, ist eine äußerst komplexe Achsgeometrie mit genau definierten Winkeln nötig.
Der Zweck dieser Aufhängungsgeometrie ist es, sämtliche Kräfte, die auf den Reifen wirken in den Aufbau weiterzuleiten. Dazu zählen beispielsweise die Führungskräfte der Reifen oder die Kräfte, die beim Beschleunigen und Bremsen auftreten. Dreht der Fahrer am Lenkrad, bestimmt die Lenkgeometrie die Radstellung und überträgt die Kräfte zwischen Reifen und Fahrbahn auf das Lenkgestänge. Um zu vermeiden, dass die Räder der Lenkachse, die ja nicht starr sondern beweglich gelagert sein müssen, ein Eigenleben entwickeln und unkontrolliert vor sich hin flattern, haben sie quasi vor der Achsanbindung Haltung anzunehmen. Und diese ist genau definiert durch Nachlauf, Vorspur Sturz, Spreizung und Lenkrollradius.
Nachlauf stellt die Räder gerade
Dafür, dass die Räder solange sich das Fahrzeug bewegt immer gerade in Fahrtrichtung stehen sorgt der Nachlauf. Zu beschreiben ist er am besten mit der sogenannten Tee- oder Einkaufswagen-Radstellung. Das Rad ist so montiert, dass der Achsschenkelbolzen schräg nach hinten zur Achse versetzt ist. Seine Mittellinie trifft vor der Radmitte auf den Boden. Die eigentliche Radachse liegt damit also hinter dem Drehpunkt der Radkonstruktion.
Dank der Konstruktion wird das Rad in dieser Stellung quasi gezogen. Darum läuft es nach und richtet sich automatisch in Fahrtrichtung aus. Zustande kommt dieser Effekt, da bei Kurvenfahrt am Reifen eine Seitenkraft auftritt, die an einem Hebelarm angreift. Das dadurch entstehende Rückstellmoment richtet das Rad immer wieder geradeaus. Der Nachlaufwinkel beschreibt die Stellung der Mittellinie der Lenkachse zum Mittelpunkt der Reifenaufstandsfläche. Bei Lastwagen liegt der Nachlaufwinkel normalerweise bei etwa drei Grad.
Vorspur verhindert Zappeln
Auch die Neigung der Räder ist wichtig für die Stabilität. Die Vorspur sorgt dafür, dass die Räder nicht unkontrolliert an der Achse zappeln. Die Räder stehen nicht parallel zueinander, sondern sind in Fahrtrichtung nach innen geneigt. Man definiert die Vorspur durch die Maßdifferenz gemessen an den Felgenrändern in Höhe der Radmitte. Außerdem übernimmt die Vorspur noch eine wichtige Aufgabe. Beim Geradeauslauf erzeugt der Rollwiderstand eine Kraft, die das linke Rad nach links drückt und das rechte Rad nach rechts. Der wirkt die Vorspur entgegen und verhindert, dass die Räder auseinanderlaufen. Anders verhält es sich bei angetriebenen Vorderrädern. Wirkt Drehmoment auf sie, setzt ein entgegengesetzter Effekt ein: Die Antriebskräfte drücken die Räder nicht nach außen sondern nach innen. Deshalb sollten die Räder in diesem Fall nach außen geneigt sein. Man spricht hier von der Nachspur.
Räder können allerdings in der Lenkgeometrie noch andere Posen einnehmen. Der Sturz bezeichnet die Stellung des Rads zur Fahrbahnebene. Den Ursprung hat der Sturz im Kutschenbau. Er hatte die Funktion, zu verhindern, dass das Rad bei gelöster Radmutter abspringt. Neigen sich die Räder jeweils nach außen, ist von positivem Sturz die Rede, nach innen geneigte Räder haben einen negativen Sturz. Ein positiver Sturz mildert die von der Fahrbahn verursachten Stöße auf die Lenkungskomponenten ab, gewährleistet einen gleichmäßigen Abrieb der Reifen und sorgt für geringe Lenkkräfte. Bei einem negativen Sturz sind die Räder nach innen geneigt. Diese Position erhöht die Seitenführungskraft der Reifen. Normalerweisen haben Lastwagen einen positiven Sturz mit einer Neigung von einem bis zwei Grad.
Neigung des Achsschenkelbolzens bestimmt Lenkrollradius
Auch die sogenannte Spreizung übernimmt einen wichtigen Part im Zusammenspiel der Achsgeometrie. Sie bestimmt die Neigung des Achsschenkelbolzens gegen die Fahrzeuglängsebene. Meistens beträgt ihr Winkel etwa fünf Grad. Zusammen mit dem Sturz ergibt sich daraus der Lenkrollradius. Er wirkt sich ebenso auf die notwendige Lenkkraft aus und erzeugt ein Rückstellmoment, sorgt also dafür, dass die Räder nach einer Kurvenfahrt wieder automatisch in ihre Ausgangsstellung zurück gehen. Würde dieses Rückstellmoment fehlen, müsste der Fahrer nach einer Kurve das Lenkrad selbst zurückdrehen. Das würde ihm jedes Gefühl für Fahrverhalten und Kurvengeschwindigkeit nehmen. Eine weitere Gefahr käme hinzu: Wird die Lenkung im Kurvenauslauf nicht rechtzeitig zurückgenommen, kommt die Fuhre von der Straße ab.