Airbags beim Lkw

Airbag
Foto: Volvo/ETM-Verlag

 

Die meisten Fahrer sind froh, wenn sie den Airbag niemals sehen müssen. Dieses wichtige Bauteil soll dafür sorgen, dass Kopf und Oberkörper bei einem schweren Unfall möglichst nicht aufs Lenkrad oder das Armaturenbrett knallen. Volvo führte 1994 als erster Lkw-Hersteller der Airbag ein. Die gewünschte Funktion hat der schützende Luftsack jedoch nur im engen Verbund mit dem Sicherheitsgurt.

Bei Crashtests zeichnen Highspeed-Videokameras jedes noch so verborgene Detail während eines Aufpralls auf. Anhand des Timecodes können Beobachter später das Storybord des Unfalls nachverfolgen. Nach drei Millisekunden erfassen die Crashsensoren im Fahrzeug die beim Aufprall entstehende Verzögerung und leiten ein Signal zum Steuergerät. Das errechnet, wie stark sich die Geschwindigkeit ändert. Nach 15 Millisekunden hat das Steuergerät das eingehende Signal ausgewertet und weiß, wie stark der Aufprall sein wird. Sagt es einen so heftigen Crash voraus, dass ein Auslösen des Airbags notwendig ist, sendet das Steuergerät ein Signal an den Airbag-Generator im Fahrzeug.

Die Technik hinter dem Luftsack

Mercedes entwickelte die ersten Airbag-Generatoren entwickelte Mercedes schon Ende der 1960er-Jahre zusammen mit der damaligen Bayern-Chemie, einem Bereich von Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Die Generatoren stammen aus dem Gebiet der Raketentechnik. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass der Treibstoff bei Zündung nicht explodiert, sondern schlagartig und vollständig zu Gas verbrennt. Die Software muss zunächst abgleichen, wann ein Auslösen des Airbags nötig ist. Dieser Schwellenwert zur Airbag-Auslösung orientiert sich am sogenannten Head Injury Criterion (HIC), das die bei einem Aufprall auf den Kopf des Fahrers wirkende Verzögerung angibt. Um dieses HIC zu ermitteln hat man damals zunächst Leichen eingespannt. Crashtest-Dummys mussten erst später ihren Kunststoffkopf hinhalten. Bei einem HIC-Wert von 1.000 steigt das Risiko, dass sich der Fahrer bei einem Crash eine Schädelfraktur zuzieht um 33 Prozent.

20 Millisekunden nachdem die Elektronik einen drohenden Crash erkannt hat, steuert der Rechner den Zündkreis im Generator an, worauf sich eine Brennstrecke in der integrierten Zündpille erhitzt. Der Treibsatz, also eine pyrotechnische Ladung, wird gezündet. Der Airbag entfaltet sich und sprengt den Plastikdeckel der Lenkradnabe durch leichten Andruck an den vorgesehenen Sollbruchstellen ab. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 km/h schießt der Airbag dann aus der Nabe.  Dabei bläst der Treibsatz das Luftkissen binnen 20 bis 40 Millisekunden auf ein Volumen von rund 70 Litern auf. Ungezündet hat der Treibsatz ein Volumen von gerade einmal 50 Kubikzentimeter. Das entspricht etwa der halben Zeit, die während eines Wimpernschlags vergeht.

Airbags verhindern Schlimmeres, sind aber nicht ungefährlich

Wer denkt, ein Airbag fange den Fahrer auf wie ein flauschiges, weiches Kissen, liegt weit daneben. Tatsächlich hat der raue Luftsack sehr viel Kraft. Er entfaltet sich mit einem höllischen Knall. Laut Airbag- und Fahrzeugherstellern kann er keine Gehörschäden verursachen. Das stimmt nicht. Inzwischen weiß man, dass die bis zu 160 Dezibel laute Auslösung durchaus zu Schädigungen des Innenohrs durch ein sogenanntes Knalltrauma, einem subjektiven Tinnitus oder sogar einem Hörsturz führen kann. Nicht nur die Lautstärke ist ein Problem. Eine weitere Schwierigkeit war die Toxizität des Füllgases, die in den Anfängen noch mit sensiblen Kanarienvögeln überprüft wurde und nicht zuletzt eine vernünftige Auslöse-Sensorik, schließlich soll sich das Luftkissen nur bei schweren Crashs entfalten.

40 Millisekunden: Der Einschlag

40 Millisekunden nach Beginn des Prozesses ist der Airbag komplett aufgeblasen. Gleichzeitig erreicht die Wucht des Aufpralls den Fahrer, Kopf und Oberkörper beginnen in Richtung Lenkrad, Armaturenbrett und Frontscheibe zu schleudern. Das Timing ist perfekt. Der Airbag kann diese Bewegung nun auffangen und abmildern. Nach 60 Millisekunden taucht der Kopf des Fahrers in das Kissen ein, Fahrzeugverformung, der Sicherheitsgurt und das Luftkissen beginnen, die Bewegungsenergie des Fahrers zu absorbieren.

Um möglichst Verletzungen vorzubeugen, darf der Fahrer den Airbag erst in dem Moment berühren, wenn es schon wieder anfängt sich zu entleeren. Nur so kann das Sicherheitssystem die Aufprallenergie mit geringen Flächenpressungs- und Verzögerungswerten halbwegs sanft absorbieren. An beiden Seiten des Kissens sind kleine Öffnungen angebracht. Durch diese strömt das Gas aus. Das dient auch dazu, den Fahrer nach dem Unfall nicht weiter zu behindern. Nach etwa 120 Millisekunden ist der Crash vorüber. Der nun leere Airbag hängt schlapp am Lenkrad herunter. Ein gutes Ende – daraufhin weisen die Hersteller immer wieder hin – nimmt der Unfall aber nur in Verbindung mit angelegtem Sicherheitsgurt.