Lagerung, Montage und Betrieb von Reifen

Tipps zur Bereifung von Nutzfahrzeugen 31.01.2014
ETM Verlag/Continental

Bei Lagerung, Montage und Betrieb von Reifen kann man einiges falsch machen. Doch ein paar Regeln reichen schon aus, um Ausfällen vorzubeugen und so Zeit und Geld zu sparen.

Auf den ersten Blick scheinen Lkw-Reifen nur schwarze runde Gummiwulste zu sein. Doch tatsächlich stecken sie voller Hightech. Dabei kommt es zunächst aufs Einsatzgebiet an. Teilweise halten sie extrem lange und gehen meist lediglich durch zwei Ursachen vorzeitig kaputt: durch äußere Einwirkung wie Einfahrschäden und durch falschen Fülldruck.
Beinahe ein Drittel aller Lkw ist mit durchschnittlich zwölf Prozent zu geringem Reifendruck unterwegs. Das erhöht einerseits den Kraftstoffverbrauch. Andererseits nehmen so auch die Walkbewegungen zu. Der Reifen erwärmt sich und der Verschleiß nimmt zu. Das schmälert seine Lebensdauer und lässt ihn im schlimmsten Fall platzen. „Mehr als 90 Prozent aller Pannen geht laut Untersuchungen ein schleichender Druckverlust im Reifen voraus“, sagt Herbert Mensching, Leiter Marketing und Vertrieb für Continental-Lkw-Reifen EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika).

Um dem entgegen zu wirken hat Continental das Conti-Pressure-Check-System entwickelt. In die Reifen werden Sensoren geklebt. Diese übermitteln Luftdruck und Temperatur an einen am Fahrzeugrahmen montierten Empfänger. Das Gerät wertet die Daten aus und sendet sie drahtlos an ein Display im Führerhaus. Die Batterien in den Sendern sollen bis zu sechs Jahre lang halten. Die 20 Gramm leichten Sensoren lassen sich beim Reifenwechsel weiter verwenden.

Reifenwechsel mit Flüchtigkeitsfehlern

Bei der Montage selbst kommt es nur selten zu Fehlern und wenn, dann mehr aus Eile und weniger aus Unwissenheit. Manche Monteure entfernen beispielsweise nicht die rostigen Rückstände im Wulstsitzbereich oder verwenden zu wenig Montagepaste. Genauso wichtig ist die korrekte Montagetemperatur. Ist der Reifen kälter als 15 Grad, kann bei der Montage die Reifenwulst Schaden nehmen. Dies kann vorkommen, wenn der Reifen draußen gelagert wurde.

Christian Koch, Reifenexperte der Sachverständigenorganisation Dekra, gibt Tipps zur richtigen Lagerung: „Grundsätzlich sollten Reifen an einem Ort aufbewahrt werden, der sauber, möglichst dunkel, trocken und gut belüftet ist. Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung oder chemische Substanzen wie Benzin, Öl oder Lösungsmittel können den Reifen in seinen Eigenschaften stark beeinträchtigen.“ Dasselbe gilt für Temperaturen über 25 Grad oder extreme Kälte unter dem Gefrierpunkt.

Lkw-Reifen sind noch lange nicht am Ende, wenn das Profil abgefahren ist. Ein zweites Leben beginnt mit der Runderneuerung. Teilweise kann man Reifen auch nachschneiden. Besonders Runderneuerungen nehmen zu. Auf diese Weise kann der Spediteur im besten Fall die Hälfte der Kosten sparen. Die Leistung ist identisch mit einem Neureifen. Laut Michelin sind je nach Einsatz und Nutzungsdauer selbst mehrfache Runderneuerungen möglich. „Entscheidend hierfür ist der Zustand des Reifens, insbesondere der Karkasse. Da wir mit Michelin Remix unseren Kunden die gleichen Produkteigenschaften wie beim Neureifen zusichern, runderneuern wir unsere Lkw-Reifen grundsätzlich nur einmal mit dem Remix-Verfahren. Wenn ein gebrauchter Remix-Reifen keinerlei Beschädigungen aufweist – eine fachkundige Untersuchung vorausgesetzt –, steht einer weiteren Runderneuerung nach einem anderen Verfahren nichts im Weg“, heißt es dort.

Abgefahrene Profile nachschneiden

Ein beliebtes Mittel, um einen abgefahrenen Reifen wieder flott zu machen ist das Nachschneiden. Mit geringem Aufwand lässt sich so die Kilometerleistung noch ¬einmal deutlich verlängern. Allerdings passieren dabei gelegentlich Fehler, obwohl das Personal meist gut geschult ist und ein geeignetes Nachschneidegerät hat. Das berichtet Michelin. „Wir stellen von Zeit zu Zeit fest, dass einzelne Werkstätten zu tief nachschneiden, um vermeintlich mehr aus dem Reifen herauszuholen. Das kann schwerwiegende Folgen haben wie beispielsweise den Ausfall des Reifens oder eine nachhaltige Schädigung der Karkasse.“

Teilweise schneiden die Werkstätten Reifen so tief nach, dass anschließend nicht mehr runderneuert werden darf. Deshalb empfiehlt der Hersteller, sich unbedingt an die Grundregeln zu halten und den Nachschneideempfehlungen des Herstellers und der Bedienungsanleitung des Nachschneidegerätes zu folgen. Eine weitere Fehlerquelle sei, dass die Nachschneidetiefe nur an einem Messpunkt ermittelt wird. Die Messerlänge lässt sich jedoch nur dann optimal einstellen, wenn die Restprofiltiefe in allen Hauptprofilrillen über den gesamten Umfang des Reifens geprüft wurde.
Ärgerlich wird es, wenn das Profil noch in Ordnung ist, aber sich ein spitzer Gegenstand in den Reifen gebohrt hat. Gerade Baustellenfahrzeuge fallen deshalb hin und wieder aus. Doch nicht immer muss es ein teurer neuer Reifen sein. Selbst bei augenscheinlich kritischen Beschädigungen können Experten unter Umständen noch helfen und den Reifen mit speziellen Flicken wieder reparieren. Das hängt von Art und Größe der Beschädigung ab sowie dem Bereich, in dem der Reifen verletzt ist. Laut Michelin kann ein korrekt reparierter Reifen wieder ohne Einschränkung verwendet werden. Auch unabhängig vom Einsatz des Fahrzeugs. Beim nächsten Schaden sollte sich also erst ein Reparaturfachmann den Reifen ansehen, bevor man sich auf einen Neukauf einlässt.

Reifenlabel hilft, den richtigen Pneu zu finden

Ersatz muss aber spätestens dann her, wenn der Reifen tatsächlich irreparabel beschädigt ist. Dabei soll das vor einem Jahr eingeführte EU-Reifenlabel helfen. Es gibt Aufschluss über Energieeffizienz, Nasshaftung sowie Abrollgeräusch eines Reifens und trägt so zur Sicherheit und Wirtschaftlichkeit bei. Die Kriterien sind gestuft von A bis G, wobei A die bestmöglichen Eigenschaften verspricht. Ein Beispiel am Kriterium Energieeffizienz zeigt, welches Einsparpotenzial besteht: Ein Lkw, der komplett mit Reifen der Klasse A bestückt ist, kann bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als mit einem Reifensatz der Klasse F.

Kürzerer Bremsweg bei Reifen der Klasse A

Ähnlich sieht es bei der Nasshaftung aus. Der Bremsweg kann mit Reifen der Klasse A bis zu 30 Prozent kürzer ausfallen als mit einem Reifen der Klasse F – ein klares Plus an Sicherheit.
Allerdings hat auch das Reifenlabel ein paar Fallstricke. Zunächst gibt es noch so gut wie keine Reifen, die alle Kriterien mit Klasse A erfüllen. Außerdem gibt es andere wichtige Eigenschaften eines Reifens, die das Label nicht bewertet. „Vor allem in der Transportbranche mit ihren vielfältigen Einsatzbereichen Verteiler- und Fernverkehr, Baustelleneinsatz und Personenverkehr spielen auch Eigenschaften wie zum Beispiel Traktion, Kilometerlaufleistung oder Haltbarkeit eine genauso große Rolle. In einigen Fällen sind Produkte, die einen schlechteren Rollwiderstand haben als rollwiderstandsoptimierte Reifen, dafür aber zum Beispiel maximales Ladevolumen ermöglichen, wirtschaftlicher“, sagt Rupert Kohaupt, Direktor Nutzfahrzeugreifen bei Goodyear Dunlop Tires Deutschland.

Wichtig ist also der Einsatzzweck des jeweiligen Fahrzeugs. So ist etwa für einen Lkw im Fernverkehr die Energieeffizienz deutlich wichtiger als für ein Baustellenfahrzeug, dessen Reifen dafür mehr Traktion bieten und zugleich robuster und weniger empfindlich für Verletzungen sind. Im Zweifel berät der Reifenhändler.