Der neue Mercedes Actros ist bereits seit 2012 zu haben. Es lohnt sich trotzdem einen Blick auf die dritte Generation zu werfen. Das zeigt ein Test des Flaggschiffs 1860 LS mit Megaspace-Fahrerhaus.
PS und Verbrauch im oberen Bereich
Unter der Haube des Mercedes Actros 1860 LS werkelt ein 598 PS-Aggregat (440 kW). Der Motor fordert beim Verbrauch mitunter seinen Tribut. Aber nicht zwangsläufig. Generell gilt, dass jede eingesetzte Pferdestärke gefüttert werden will. Im Fall V8 aber nur mit rund 140 Gramm pro PS und Stunde oder weniger als 190 g/kWh im günstigsten Fall – bei Volllast und mit niedrigen und mittleren Drehzahlen. Besser können das weder der Wettbewerb noch die kleinen V6 mit rund zwölf Liter Hubraum von Mercedes. Dieser geringe spezifische Volllastverbrauch, der von 1.000 bis fast 1.600/min auf derart niedrigem Niveau bleibt, ist dann auch das Pfund, mit dem der Achtzylinder wuchert.
Der Actros 1860 nimmt Anstiege mit Tempo
Er marschiert steile Anstiege fast genauso sparsam hinauf wie die genügsamsten Sechszylinder. Aber deutlich schneller. Als Beleg mag ein fast zehn Kilometer langer und teilweise mehr als fünf Prozent steiler Anstieg dienen: Verbrauch 9,76 Liter, Fahrzeit 8.00 Minuten. Zum Vergleich ein Axor 1843: 9,61 Liter, Fahrzeit 9,35 Minuten. Einem geringen Mehrverbrauch von 1,5 Prozent steht ein Plus beim Tempo von fast 15 Prozent gegenüber.
Je flacher die Anstiege geraten, desto mehr kommen die Nachteile der hohen Leistung und des großen Motors zum Tragen. Steigungen mit vier Prozent zieht auch der auf 40 Tonnen ausgelastete Actros 1860 LS mit 80 km/h hoch, ein 400er fällt auf weniger als Tempo 60. Das deutlich höhere Tempo ergibt einen fast doppelt so hohen Luftwiderstand mit entsprechendem Verbrauchszuschlag. Bei zwei bis drei Prozent kippt die Sache endgültig zu Gunsten der schwächeren Motoren. Der V8 läuft hier mit Teillast, ein kleiner Sechszylinder mit Volllast. Und im Flachland sorgen einzig die recht lange Achsübersetzung (2,733 zu 1) und die guten aerodynamischen Qualitäten der Megaspace-Kabine dafür, dass sich die innermotorischen Verluste und der Verbrauchszuschlag in Grenzen halten.
23,8 Liter pro 100 Kilometer bei Tempo 85 im Flachland
23,8 l/100 km reichen dem 1860 LS bei Tempo 85 km Flachland – ein Liter mehr als beim Sechszylinder. Im Mittel drückten die acht von Magnetventilen gesteuerten Steckpumpen des Achtzylinder-Motors insgesamt 38,1 l/100 km durch die Einspritzdüsen – rund fünf Prozent mehr als in der 400er-Klasse üblich. Aber auch dieser hohe Wert zeugt von Effizienz, weil das mittlere Tempo von 85,5 gleich um sieben Prozent (von 80 auf 85,5 km/h) steigt.
Weniger als acht Tonnen Leergewicht sind beim 1860 LS kaum möglich
Hohe Leistung und umfangreiche Ausstattung des Actros 1860 LS mit Megaspace-Fahrerhaus lassen die Pfunde beim Leergewicht nach oben schnellen. Weniger als acht Tonnen Leergewicht sind mit einer Sattelzugmaschine vom Kaliber 1860 LS kaum möglich. Gut ausgestattet sind 8,5 Tonnen die Regel, mit maximalem Tankvolumen geht es in Richtung neun Tonnen. Auch wenn hohes Gewicht nicht selbstverständlich für solide Bauweise steht, so muss man dem Actros eine hohe Solidität bescheinigen. Hochwertige Materialien, bestens verarbeitet und geschmackvoll eingerichtet, so kommt ein Actros der dritten Generation daher.
Der Fahrerplatz ist bestens gemacht
Der Arbeitsplatz hinter dem Lenkrad ist wirklich bestens gemacht, die Bedienung – nach einer kurzen Eingewöhnungsphase – leicht und logisch. Nach wie vor hat die Bedienung der Automatik ihren Platz an einem Sitzausleger rechts vom Fahrer. Daran ist im Grunde nichts auszusetzen – außer, dass es mit kurzen Hebeln an der Lenksäule noch einfacher funktionieren würde. Der Griff dahin – also Eingriffe in die Automatik – ist allerdings so selten wie Spätzle in Italien. Was einerseits in der schieren Motorkraft (2.800 Nm bei 1.080/min) seine Ursache hat und andererseits im Know-how der Powershift genannten Automatik. Nur ganz selten liegt sie mit ihrer Gangwahl daneben.
Das Zusammenspiel der Assistenzsysteme funktioniert gekonnt
Trefflich und gekonnt funktioniert auch das Zusammenspiel der elektronischen Helfer. Beispielsweise von Tempomat, Bremsomat, Retarder und Getriebesteuerung. Sind die beiden Geschwindigkeiten – etwa 85 für Marsch- und 89 km/h für Talfahrt – eingestellt (was ganz geschwind vonstatten geht), dann hält sich der 1860 so exakt an diese Vorgaben. Mehr noch: sämtliche Eingriffe von Motorbremse, Retarder oder Getriebe geschehen äußerst sanft und elegant. Einzig ein manchmal etwas ruppiger Stoß Zwischengas zur Zahnradsynchronisation beim Runterschalten stört diese Idylle.
Fast keine Windgeräusche
Es ist also eine kommode Art, einen Actros 1860 zu fahren, zumal dem großen Achtzylinder fast immer niedrige Drehzahlen reichen, die Innengeräusche in der Nähe der Benchmark Scania sind und sich die Bewegungen der hoch montierten Kabine in aller Regel auf ein weiches Wanken beschränken. Windgeräusche? Fast keine.
Jede Menge Stauraum
Der Fahrer hat also seine Freude an V8 und Megaspace-Fahrerhaus. Mit der Einschränkung, dass der Bewegungsfreiraum etwas eingeschränkt ist. Dazu trägt das ausladende wenn auch komfortable obere Bett in heruntergeklapptem Zustand bei wie auch der wuchtige Mittelteil des Armaturenträgers. Ist eine der vielen Schubladen auf, dann geht im Megaspace kein Schritt mehr. Stauraum gibt es im Gegenzug jede Mege.
Fazit zum Actros 1860 LS
Mercedes hat mit dem Actros 1860 LS samt Megaspace-Fahrerhaus eine wirklich tolle Sattelzugmaschine geliefert, die innerhalb ihres Segments sicher zu den wirtschaftlichsten und komfortabelsten Vertretern ihrer Art zählt.